Niemand hat mir gesagt, dass ich in einer geschlossenen Stadt aufwachen würde…

Placide, gebürtig aus Ruanda, ist Medizinstudent in Wuhan, China.
Wir haben ein Exklusivinterview mit dem 24-Jährigen geführt. Wir wollten von ihm wissen, wie er von dem Virus erfahren hat, wie es sein Leben verändert hat, und welche Ängste er hatte.
Er selbst und seine Freunde im Campus haben sich nicht mit dem Coronavirus infiziert. Er lebt seit 4 Jahren in China.

Hier sein Bericht:

Es ist sehr erstaunlich, wie sich die Dinge in Sekundenschnelle drehen und ändern können. Versonnen und ein wenig wehmütig denke ich darüber nach, wie meine Gewohnheiten waren. Wie ich jeden Morgen aufwachte, um zu studieren, zu arbeiten oder was auch immer ich für meinen Tag geplant hatte.
Meistens hatte ich für den kommenden Tag, nächste Woche und die nächsten Monate einen Zeitplan, selbst bis zum nächsten Jahr hatte ich zum Teil Pläne.
Diese Gewissheit kam aus meiner unerschütterlichen Hoffnung und Optimismus für die Zukunft. Da war kein Raum für Zweifel.

Das Leben heute ist der Beweis dafür, dass ich immer um eine bessere Zukunft kämpfen kann. Auch wenn die Chancen gegen mich stehen.

Es ist 2 Monate her, seit die Volksrepublik China als Reaktion auf den Ausbruch des Coronavirus (Covid-19) den höchsten Ausnahmezustand in der Stadt Wuhan und im Rest der Nation angekündigt hat.
Als internationaler Student aus Ruanda lebe und studiere ich im Außenbezirk der Stadt Wuhan, die einst als Epizentrum bekannt war.

Als ich zum ersten Mal von der Schließung meiner Stadt und der Schließung von Geschäften wegen der Krankheit hörte, war ich sehr überrascht und auch frustriert, weil mir vorher niemand gesagt hatte, dass ich in einer geschlossenen Stadt aufwachen würde.

Ich wusste nicht wirklich viel über das Virus, ich erinnere mich an den Tag vor der Sperrung, als ich eingeladen wurde, das chinesische Neujahr mit der Familie meines Professors zu feiern. Während des Mittagessens sprachen wir über das Virus, aber es schien nicht beängstigend zu sein.

Am nächsten Morgen sah ich eine Ankündigung, dass ich nicht ausgehen konnte. Ich habe versucht, die Gründe für die Sperrung der gesamten Stadt einschließlich des Flughafens und der Züge zu verstehen, aber ich habe das Ausmaß und die Realität nicht wirklich begriffen.

Im Fall von COVID-19 schien es effektiv zu sein, Versammlungen und Reisen einzuschränken und mehr Handhygiene zu achten und Masken zu tragen. Das Virus musste mit allen Mitteln bekämpft und eine weiteres Ausbreiten verhindert werden. Daher konnte ich dem Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Ausbruchs voll zustimmen.

Trotz des Verständnisses, viel es mir schwer vorzustellen, wie ich den Kontakt mit Menschen vermeiden sollte, wenn ich mich mit Freunden austauschen möchte, feiern gehen oder Essen kaufen und andere Dinge tun möchte, die junge Leute jeden Tag tun und es auch genießen.
Doch schon kurz darauf reagierte meine Universität und setzte strenge Sicherheitsmaßnahmen, einschließlich der Sperrung des Campus um.
In diesem Moment waren ich und meine Klassenkameraden endgültig vom Rest der Stadt isoliert. Nicht nur uns, sondern allen in der Stadt wurde diese Isolation strengstens geraten. Wichtig war es nun, Versammlungen mit vielen Menschen zu vermeiden, um die Ausbreitung des Virus so zu verhindern.

Zu dieser Zeit nahmen Angst und Frustration zu, weil ich mir sowieso kein Überleben vorstellen konnte, wenn ich nicht einmal das Haus verlassen darf, um Essen zu besorgen.

Was mich dann überraschte, war die Freundlichkeit und Hilfe meiner Universität in dieser Situation. Ich hätte nie gedacht, dass meine Lehrer ihr Leben aufs Spiel setzen werden, nur um sicherzustellen, dass ich die Grundbedürfnisse zum Überleben bekomme. Sie waren von Anfang an dabei. Sie haben uns geholfen, in dem sie uns Vorräte geliefert haben. Diese Hilfsbereitschaft hat meine Erwartungen weit übertroffen.

Das war der Zeitpunkt, wo ich begriff, was in diesem Land geschah.
Und ich begann diese Freundlichkeit und jegliche Bemühungen zur Bekämpfung der Covid-19 sehr zu schätzen, die die Chinesen und die Regierung einführten, um Menschen, die mit dem Virus infiziert sind zu behandeln und andere zu schützen.

Auf der anderen Seite waren meine Familie und Freunde sehr besorgt um meine Gesundheit, deshalb musste ich jeden Tag als erstes Bescheid geben, dass es mir gut ging.
Durch verschiedene soziale Medien, blieb ich in gutem Kontakt.
Meine Familie und Freunde boten mir in diesem Moment Trost und Kraft, wir teilten unsere Sorgen, Neuigkeiten, Gerüchte und ermutigten uns gegenseitig.
Meistens fiel es mir schwer, meine Familie davon zu überzeugen, dass ich mich hier sicher fühle. Vor allem, wenn sie aufgrund dessen, was sie in den Medien sehen und hören, denken, dass dies nicht der Fall ist.

Placide in einer Videobotschaft an seine chinesischen Freunde im Februar. Sein Text: 大家好 我是宋子墨(placide) 我来中国快四年了哦,美丽的中国 我的第二故乡,我的老师和灵感,最终您需要的是希望和力量,希望它会变得更好,并有力量坚持下去 中国加油! 武汉加油 Hi everyone, I ‚m Song Zimo (placide) I have been in China for almost four years, Oh beautiful China, my second hometown, my teacher and inspiration, what you need in the end is hope and strength, hope it will become better, and have the strength to persist China come on ! wuhan come on!

Meistens lauteten die immer wiederkehrenden Fragen: „Wie bekommst du Essen, wenn du nicht ausgehen kannst?“ oder „Warum kannst du nicht nach Hause kommen?“
Die Fragen lassen sich leicht beantworten: viele Chinesen und meine Universität haben mir dabei sehr geholfen und ich finde, es nur angemessen sie zu unterstützen und in ihrem aber auch in meinem Interesse sicher im Campus zu bleiben und die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass sich Viren auf meine Familie und mein Land ausbreiten.

Zusammen mit einigen Mitstudenten aus Ruanda haben wir unsere Botschaft aufgefordert, die Rückführung von Ruandesen aus China abzubrechen, da dies eine potenzielle Gefahr für unser Land darstellen könnte. Leider reichte diese Maßnahme nicht aus, um unser Land vor COVID-19 zu schützen.

Ruanda bestätigte den ersten Fall von COVID-19 am 14. März 2020, fast zweieinhalb Monate, nachdem der erste Fall in Wuhan, China, gemeldet worden war.
Trotz des anhaltenden öffentlichen Bewusstseins und der Sicherheitsmaßnahmen hat der Gesundheitsminister das Land für zwei Wochen gesperrt, um eine stärkere Verbreitung von Viren und eine überwältigende Arbeitsbelastung des Gesundheitsystems zu vermeiden.

Ich bin froh, dass meine Familie vorerst in Sicherheit ist. Ich hoffe, diese Entscheidung wird meinem Land bei dem Kampf gegen die Viren helfen.

Insgesamt ist „mich selbst schützen und andere schützen“ mein Beitrag in diesem Kampf gegen COVID-19.

Ausgangssperre in Wuhan

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